Während der Vorsitzende der Conservative Party, David Cameron, in den letzten Wochen seine Pläne für den Fall eines Regierungswechsels vorstellte, die sich wie eine 1:1-Kopie der rot-grünen Agenda 2010 in Deutschland lesen, wird auch im Vereinigten Königreich die Rolle von neuen Kommunikationsmedien wie Twitter wichtiger.
Das jüngste Beispiel hierfür ist einen Tag alt. Am Montag berichtet der Guardian auf Seite 1, dass sie aufgrund einer einstweiligen Verfügung nicht über eine Anfrage eines Abgeordneten berichten dürfen – und zwar weder über den Inhalt, noch den Abgeordneten, der die Anfrage stellte und auch nicht über den Urheber der einstweiligen Verfügung. Dies sind die Auswüchse einer Regelung, die eigentlich zum Schutz der Privatsphäre von Personen gegenüber der Yellow Press gedacht war. Inzwischen wird diese Möglichkeit, aber primär von Firmen genutzt die sich unliebsame Presse vom Hals halten wollen. Die einstweiligen Verfügungen sind relativ leicht zu erreichen, schwer aufzuheben für den Betroffenen und oft sehr restriktiv, sodass zum Beispiel noch nicht einmal darüber berichtet werden darf, dass eine Verfügung erwirkt wurde.
In Zeiten des Internets, insbesondere in Zeiten von sehr schnellen Massenkommunikationsmitteln wie Twitter, kann diese Strategie des Mund-tot-Machens aber schnell ins absurde abtrifften. So auch in diesem Fall. Nachdem die Zeitung am Montagmorgen erschienen war, machten sich einige User auf die Suche, welche parlamentarische Anfrage denn gemeint sein könnte, über die der Guardian nicht berichten durfte. Diese ward noch am selben Abend auf den Seiten des englischen Parlaments gefunden und auf Twitter und in Blogs publiziert. Es handelte es sich um Anfrage eines Labour-Abgeordneten in der es um Fragen der Pressefreiheit im Fall der Firma Trafigura ging, die im Verdacht steht Giftmüll an der Elfenbeinküste verklappt zu haben.
Hiernach folgt das übliche Prozedere: Die Anfrage und die Empörung über das Vorgehen von Trafigura und der auf solche einstweiligen Verfügungen spezialisierten Anwaltskanzlei Carter-Ruck machten im Internet die Runde und so sah sich die Firma gezwungen, ihre Verfügung aufzuheben. Was den Guardian zum Ausruf “A few tweets and freedom of speech is restored” veranlasste.
Und tatsächlich ohne das Internet, wäre ein schneller Rückzug der Firma und die Wiederherstellung der Pressefreiheit wohl nicht zustande gekommen. Die klassischen Massenmedien hätten erst – möglicherweise langwierige – Gerichtsverfahren mit ungewissem Ausgang führen müssen, bevor sie über die parlamentarische Anfrage hätten berichten dürfen. So aber hat der Druck der Internetöffentlichkeit ausgereicht um das Unternehmen Trafigura und seine Anwaltskanzlei in nicht einmal drei Stunden zum Rückzug zu zwingen. Hinzu kommt der Imageschaden von Trafigura, die genau das Gegenteil von dem erreicht haben, was sie ursprünglich wohl intendiert haben.
Und auch in einem anderen Bereich dieses Falls spielt das Internet eine wichtige Rolle: Im sog. Minton Report werden die Giftmüllentsorgungspraktiken diverser Unternehmen an der Elfenbeinküste untersucht. Der Report im Auftrag einer Anwaltskanzlei entstanden, die ebendiese Firmen vertritt und sollte eigentlich vertraulich sein, gelangte aber nichtsdestotrotz an die Öffentlichkeit. Er darf aber weiterhin nicht von den traditionellen Massenmedien veröffentlicht werden, findet sich aber auf Wikileaks für jeden einsehbar. Auch hier spielen internetbasierte Medien also wieder eine eminent wichtige Rolle bei der Umgehung von Einschränkungen der Pressefreiheit.
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